Im Juli und August 2015 war ich als Schöffe der 9. Strafkammer am Landgericht Leipzig mit Aktenzeichen 9Ns 603 JS 32283/12 geladen.
In meinem ersten Jahr als Schöffe am Landgericht direkt mit einem Verfahren, dass sich mit dem Tod eines Kleinkindes und der Schuld oder Unschuld eines weitläufig „Beteiligten“ konfrontiert zu werden, war unerwartet aber auch interessant.
Dieser Prozess hat auf eine Art nachdenklich gestimmt und auf der anderen Art zur Prüfung eigener Prämissen geführt.
Auf diese Prüfung der Prämissen möchte ich zunächst eingehen. Als Mitglied der Piratenpartei und Teil der Organisationsstruktur dieser Partei, vertrete ich (wenn auch nur zum großen Teil) auch oder gerade deswegen das Parteiprogramm. Die Piraten stehen für eine Freigabe, letztlich aller sogenannter Drogen. Das Menschenbild ist selbstbestimmt.
Demnach habe ich hinterfragt: Möchte ich, dass durch die Politik meiner Partei, weitere solche Schicksale entstehen? Ist es das Ziel dieses Parteiprogramms? Brauchen wir die „schützende Hand“ des Staates vielleicht doch?
Die Antwort für mich ist: Nein, nein und ja.
Warum? Die Menschen sind zu ihrem Glück alle unterschiedlich, jeder schätzt Situationen und Handlungen für sich ein und sieht oder übersieht dabei Konsequenzen für andere. Jeder Verlust eines Lebens, verursacht durch andere ist einer zu viel.
Die Mutter des Kindes in diesem Verfahren, war nicht in der Lage, nicht willens und offenbar unfähig zu erkennen, welche Konsequenzen ihre Handlungen haben. Sie hat den Tod des eigenen Kindes billigend in Kauf genommen, ganz sicher ohne es wirklich zu wollen.
Ich meine daher, Freigabe aller sogenannter Drogen ist und kann nicht das Ziel sein. Jedoch ist in meinen Augen ein großer Prozentsatz der Bevölkerung durchaus in der Lage, zu erkennen welche Konsequenzen und welche Verantwortung aus dem Konsum von derartigen Substanzen erwächst.
Wie habe ich das Verfahren, geführt von Richter Kühlborn wahrgenommen?
Der Prozess war durchdacht, analytisch und logisch aufgebaut. Er lies aus meiner Sicht keine Facette offen. Das Hören der Zeugen und Sachverständigen gab mir einen tiefen Einblick in die Arbeit des Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) und legte auch offen, welche Änderung nach diesem tragischen Fall innerhalb der Behörde erfolgte.
Ganz klar und direkt muss ich darauf hinweisen: Auf die Ansicht einiger verfahrensrelevanter Beweis- und Tatortfotos hätte ich verzichten können, niemand möchte ein verhungertes, verdurstetes und in eigenen Fäkalien liegendes Kleinkind sehen.
Im laufe des Verfahrens wurden, wie oben erwähnt, einige Zeugen vernommen. Dabei viel mir auf, dass es den geladenen Polizeibeamten schwer fiel, zusammenhängend, detailliert und in ganzen Sätzen Ihre Eindrücke wiederzugeben. Immer wieder musste der Vorsitzende Richter und auch die Schöffen Fragen stellen, die aus meiner Sicht ohne Aufforderung hätten beantwortet sein müssen. Ich war nicht in der Lage, das Motiv dieser Maulfaulheit Wortkargheit zu ergründen.
Schlussendlich war festzustellen, dass zum Zeitpunkt des Todes von Mutter und Kind, den Angeklagten keine Schuld traf. Erkennbar muss dies auch im Amtsgerichtsprozess gewesen sein, offenbar wollte man dort aber einen Schuldigen finden. Der Berufungsprozess hatte keine neuen Erkenntnisse gebracht.